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Aktivierung im Alter – wenn Spiele neue Lebensqualität schenken

Für Menschen mit Demenz sind Spiele eine besondere Quelle der Inspiration. Dank fachkundig angeleiteten Akti­vierungen können sie Erinnerungen aufleben lassen und ihre Fähigkeiten trainieren. Das trägt entscheidend zur Zufriedenheit und zum Wohlbe­finden bei. Das Spiel, ein Wunder­mittel? Wir haben bei einer Expertin nachgefragt.

Wer spielt, ist aktiv. Wer spielt, lebt ganz im Hier und Jetzt. Und wer spielt, tut sich selbst und seinen Mitmenschen viel Gutes. Ein Spiel ist so wirkungsvoll wie kaum eine andere Tätigkeit, denn es vereint Freude, Gemeinschaftssinn, Inter­aktion, Konzentration, Geschicklichkeit und Ambitionen auf einzigartige Weise. Das gilt nicht nur für Kinder, die von Natur aus spielend lernen. Auch für betagte Menschen, die an Demenz erkrankt sind, hat das Spiel eine grosse Bedeutung. Es gehört in vielen Institutionen zur Aktivierungstherapie. Hierfür kommt geschultes Personal zum Einsatz, das gezielt mit positiven Ressourcen arbeitet.

Spielen ist eine Lebenshaltung
Eine der Fachpersonen, die sich im Bereich Aktivierung engagiert, ist Gaby Hasler Herzberg aus dem Kanton Basel-Landschaft. Die Pflegefachfrau, Erwachsenenbildnerin und Spielpädagogin bietet unter dem Titel «spielbar» verschiedene Seminare und Workshops zum Thema an. Einer ihrer Schwerpunkte, den sie seit über 20 Jahren verfolgt, bezieht sich auf das Alter. «In dieser Lebensphase kann mit Spielen und weiteren angeleiteten Aktivitäten viel für die Lebensqualität gemacht werden», sagt die Fachfrau, die auch privat sehr gerne spielt. Am liebsten mag sie Klassiker wie Mühle und Schach. Spielen, das ist für Gaby Hasler Herzberg nicht bloss ein Hobby, sondern eine Lebenshaltung. «Ein Spiel bewirkt so viel Gutes, denn es zeigt, dass man die Wahl hat und etwas bewirken kann – auch wenn dies im Alltag nicht immer so scheint», so fasst sie ihre Faszination zusammen. Dies zu vermitteln, hat sie sich gemeinsam mit ihrem Partner Martin Herzberg und weiteren Referentinnen und Referenten zur Lebensaufgabe gemacht.

Gaby Hasler Herzberg engagiert sich seit über 20 Jahren im Bereich Aktivierung und Spiel.

Neue Zugänge zu Verlerntem aufzeigen
In ihren Kursen hat Gaby Hasler Herzberg immer wieder die Erfahrung gemacht, dass es manchen Erwachsenen gar nicht so leicht fällt, sich unvoreingenommen auf das Spielen einzulassen. Dies beobachtet sie sogar bei jenen, die in ihrem Beruf damit zu tun haben. «Sobald es ums Spielen geht, offenbart sich nämlich ganz schnell die Wesensart einer Person», verrät die Fachfrau und lacht. Das sei manchen Leuten unangenehm, da dabei Gefühle zum Vorschein kommen können, die man eigentlich lieber für sich behalten möchte. Immer wieder äusserten Teilnehmende in den Weiterbildungen auch die Befürchtung, dass man als «kindlich» wahr­genommen werden könnte, wenn man gerne und oft spiele. «Dabei ist es doch schade, dass das Interesse am Spielen vielfach abhandenkommt, sobald man in der Pubertät ist», findet Gaby Hasler Herzberg. Ihr ist es deshalb ein Anliegen, das Spielen weiter zu legitimieren und neue Zugänge aufzuzeigen, auch für Erwachsene und vor allem für Seniorinnen und Senioren.

«Bewährte Spiele geben viel Sicherheit und sind deshalb besonders geeignet.»

Mut zur Kreativität
Entscheidend für die spielerische Aktivierung von Menschen mit Demenz ist laut Gaby Hasler Herzberg, dass man ihr Recht auf Eigensinn stets respektiert und sie mit Würde behandelt. Und auch, dass es allen freisteht, sich an der Aktivierung zu beteiligen. Ein beliebtes Spiel bei vielen Betagten sei übrigens der Jass. «Das kommt daher, dass viele seit ihrer Jugend damit vertraut sind», sagt die Spielex­pertin, und sie fügt an: «Bewährtes gibt viel Sicherheit und ist daher besonders geeignet.» Natürlich könne man auch andere, neue Spiele in der Aktivierung anwenden. Man müsse aber stets darauf achten, was zu den Neigungen und Fähigkeiten der Klientinnen und Klienten passe und allenfalls Veränderungen einbauen. Zum Beispiel: weniger Karten, kleinere Zahlenräume, Würfel mit klar erkenn­baren Punkten. «Mit Mut und Kreativität ist vieles möglich», fasst Gaby Hasler Herzberg zusammen. Entscheidend sei auch, dass man Tempo und Druck rausnehme, denn ältere Leute hätten nicht so viel Energie wie die jüngeren. Daher ist es ratsam, Spiele und andere angeleitete Tätigkeiten in der Aktivierung zeitlich einzugrenzen. Heilen oder behandeln kann man eine Demenzerkrankung allerdings auch mit den besten Spielen nicht. Doch das spielerische Vorgehen ist hilfreich, um das Gedächtnis zu nutzen und die Merkfähigkeit zu schulen. So könne man Verluste hinauszögern und eine erfreuliche Abwechslung im Alltag bieten. Für Menschen mit Demenz ist das Spiel also eine wunderbare Chance, sofern es den Betreuungspersonen gelingt, die optimale Balance zwischen Fordern und Fördern zu finden.


Zehn Minuten mit grossem Effekt

Die 10-Minuten-Aktivierung® ist eine Methode, mit der die Kommunikation von betagten und an Demenz erkrankten Menschen gefördert wird. Ent­wickelt wurde sie in den 1990er-Jahren von der Aktivierungstherapeutin Ute Schmidt-Hackenberg. Das Vorgehen orientiert sich an biografischen Fähigkeiten aus der Lebenswelt von Menschen mit Demenz, es regt geistig und körperlich an und stärkt das Selbstwertgefühl. Einer der Vorteile der Methode besteht darin, dass sie dank der kurzen Dauer und den einfachen Materialien leicht in den Alltag integriert werden kann. Durchgeführt wird die 10-Minuten-Aktivierung® in der Regel von Fachpersonen in entsprechenden Institutionen. Sie eignet sich sowohl für einzelne Klientinnen und Klienten als auch für Gruppen. Die Themen der Aktivierung richten sich nach den Interessen der Teilnehmenden. Beispiele dafür können sein: Würfel- und Kartenspiele, Küchen­geräte, Handwerksgeräte, Holzarbeiten, Gartenarbeiten, Kochen und Backen, Fotos von früher, Gesang, Malerei sowie Gegenstände zu bestimmten Jahres­zeiten und Festen. Das Ziel besteht darin, unter fachkundiger Anleitung die Erinnerungen zu fördern, sich zu konzentrieren sowie Sprache und Handlungen zu trainieren.

Quelle: curaviva.ch